Ausland

Trotz internationaler Warnungen rückt die von Israel angekündigte Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens einem Medienbericht zufolge näher. Israel bereite sich darauf vor, Zivilisten und Zivilistinnen aus Rafah in die nahe gelegene Stadt Chan Junis und andere Gebiete zu bringen, berichtete das „Wall Street Journal“ gestern unter Berufung auf ägyptische Beamte, die über die israelischen Pläne informiert seien.

Zu diesem Zweck sollten Unterkünfte mit Zelten, Lebensmittelverteilungszentren und medizinische Einrichtungen wie Feldlazarette eingerichtet werden, hieß es. Diese Evakuierungsaktion würde zwei bis drei Wochen dauern und in Abstimmung mit den USA, Ägypten und anderen arabischen Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten durchgeführt werden, hieß es.

Truppen sollen schrittweise verlegt werden

Israels Verbündete wie die USA haben eindringlich vor einer Offensive in Rafah gewarnt, weil sich dort Hunderttausende palästinensischer Binnenflüchtlinge drängen. Israel hält einen Einsatz jedoch für nötig, um die dort verbliebenen Bataillone der islamistischen Hamas zu zerstören. Anderenfalls könne die Terrororganisation wiedererstarken.

Israel plane, seine Truppen schrittweise nach Rafah zu verlegen und dabei Gebiete ins Visier zu nehmen, in denen sich nach Ansicht Israels Hamas-Führer und Kämpfer verstecken, berichtete die Zeitung. Es werde erwartet, dass die Kämpfe mindestens sechs Wochen dauern werden.

Angesichts der wachsenden Spannungen durch den Krieg zwischen Israel und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas hat die renommierte New Yorker Columbia University die Lehre gestern auf Onlinebetrieb umgestellt.

In den vergangenen Tagen habe es zu viele Beispiele für „einschüchterndes und belästigendes Verhalten auf unserem Campus gegeben“, schrieb Universitätspräsidentin Nemat Shafik in einem offenen Brief.

„Antisemitische Äußerungen, wie auch andere Äußerungen, mit denen Menschen verletzt und verängstigt werden sollen, sind inakzeptabel und es werden entsprechende Maßnahmen ergriffen“, fuhr sie fort. Zur Deeskalation und „um uns allen die Möglichkeit zu geben, über die nächsten Schritte nachzudenken, gebe ich bekannt, dass alle Kurse am Montag virtuell stattfinden werden“.

Proteste weiten sich aus

In der vergangenen Woche hatten pro-palästinensische Proteste begonnen, bei denen die Universität aufgefordert wurde, sich von Unternehmen zu trennen, die Verbindungen nach Israel haben. Mehr als 100 Protestteilnehmer wurden festgenommen, nachdem die Universität am Donnerstag die Polizei auf den Privatcampus gerufen hatte.

Daraufhin schienen sich die Spannungen zu verschärfen, am Wochenende war die Beteiligung noch größer. Die Proteste weiteten sich auch auf andere Universitäten aus.

Biden verurteilte Vorfälle

US-Präsident Joe Biden verurteilte die antisemitische Vorfälle an den Hochschulen des Landes im Zusammenhang mit der Debatte über den Gaza-Krieg als „verwerflich“. „Dieser unverhohlene Antisemitismus ist verwerflich und gefährlich – und er hat absolut keinen Platz auf dem Universitätsgelände oder irgendwo in unserem Land“, sagte er. Zugleich rief Biden aber auch zu Empathie mit den Palästinensern auf.

Menschenhandel und das Schleusen von Migrantinnen und Migranten haben sich laut den Vereinten Nationen in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Das UNO-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) in Wien will diesen Formen der Kriminalität deshalb mit neuen Strategien begegnen, die gestern vorgestellt wurden. Das UNODC wolle in Zukunft einen stärkeren Fokus auf die Geldströme sowie auf organisierte Kriminalität und ihre Rolle im Menschenhandel und -schmuggel legen, hieß es. Als Positivbeispiel sieht UNODC den Umgang mit Ukraine-Flüchtlingen.

„In den vergangenen zwei Jahrzehnten gab es ziemlich viel Optimismus, dass wir den Kampf gegen Menschenhandel und Schleuser weltweit gewinnen könnten“, sagte UNODC-Experte Ilias Chatzis in einer Pressekonferenz. Doch Kriege, große Migrationsbewegungen, wachsende Onlinekriminalität, die Coronavirus-Krise und der Klimawandel hätten diese Bemühungen erschwert. „Die erzielten Fortschritte sind heute in Gefahr“, sagte er.

Menschenhandel fast immer von Mafia organisiert

Dabei sollten Geldflüsse als wichtige Spuren verfolgt werden, sagte Chatzis. Laut dem Experten sind weltweit neun von zehn verurteilten Menschenhändlern dem organisierten Verbrechen zuzuordnen. Weiter soll der Kampf gegen den Handel mit Kindern zur Priorität werden, da etwa ein Drittel der Opfer minderjährig seien.

Menschenhändler beuten ihre Opfer für Zwangsarbeit, Sexarbeit, Kriminalität, Organhandel und Leihmutterschaft aus. Schleuser bringen hingegen Migranten für hohe Summen auf illegalen und oft riskanten Routen in andere Länder. Das UNODC will in Zukunft die Schnittpunkte zwischen diesen zwei unterschiedlichen Verbrechensarten verstärkt unter die Lupe nehmen und Migranten besser vor Menschenhändlern schützen.

Positivbeispiel: Umgang mit Ukraine-Flüchtlingen

Als positives Beispiel hob Chatzis den Ukraine-Konflikt hervor: Der erwartete Anstieg von Menschenhandel unter ukrainischen Geflüchteten sei nicht eingetreten, weil ihnen Aufnahmeländer Sozialhilfe, Arbeitsmöglichkeiten und Schutz geboten hätten. „In diesem Fall hat die internationale Gemeinschaft das Richtige zur rechten Zeit getan“, sagte der UNODC-Vertreter.

Der Irak und die Türkei wollen die gemeinsame Wassernutzung aus den Flüssen Euphrat und Tigris mit einem neuen Abkommen besser regeln. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der irakische Ministerpräsident Mohammed al-Sudani unterzeichneten dafür gestern in Bagdad eine Vereinbarung, die zehn Jahre lang gelten soll. Neben besserem Wassermanagement geht es auch um Entwicklungsprojekte und einen besseren Austausch bei Bewässerungssystemen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der irakische Ministerpräsident Mohammed al-Sudani
Reuters/Ahmad Al-Rubaye

In beiden Ländern wird viel Wasser vor allem in der Landwirtschaft verbraucht. Der Irak, historisch bekannt als Zweistromland zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris, leidet heute unter zunehmender Wasserknappheit und Wüstenbildung. Das Wasser dort stammt vor allem aus dem regenreichen Hochland in der Türkei, wo die Flüsse entspringen.

Große Dämme sorgen für Knappheit im Irak

Der Bau großer Dämme und Bewässerungsanlagen in der Türkei und Syrien hat den Wasserfluss stromabwärts in den Irak verringert. Zudem herrschen im Irak im Sommer teils Temperaturen über 50 Grad Celsius. Das Land ist den Vereinten Nationen zufolge besonders anfällig für die Folgen der Erderhitzung.

Niemandem sei gedient, wenn sich die „Lage mit Blick auf das Wasser und den irakischen Anteil daran“ verschlechtere, sagte Sudani. Erdogan betonte, die Klimakrise und Dürren würden beiden Ländern und der ganzen Welt zusetzen. Es sei wichtig, sparsam mit Wasser umzugehen. Eine gemeinsame ständige Kommission werde die Zusammenarbeit beim Wasser auf „vernünftiger, wissenschaftlicher Grundlage“ vorantreiben, sagte der türkische Präsident.

Inland

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger hat gestern Abend im ZIB2-Interview die Stadt Wien in der Frage der Verteilung von Asylberechtigten und ihren Angehörigen, die per Familiennachzug derzeit etwa aus Syrien kommen, verteidigt. Weil ein Gros der Asylberechtigten sich in Wien aufhält, gibt es in der von einer SPÖ-NEOS-Koalition regierten Bundeshauptstadt mittlerweile Probleme – etwa zu wenige Klassen in Schulen. Meinl-Reisinger forderte hier einen „österreichweiten Schulterschluss“. Eine Wohnsitzauflage widerspreche allerdings laut dem Juristen Walter Obwexer sowieso EU-Recht.

Aktuell wird über eine Wohnsitzauflage als Bedingung für den Bezug der Mindestsicherung für Betroffene diskutiert. NEOS fordert eine solche seit Langem, allerdings fehlt vor allem im Bund die Unterstützung anderer Parteien.

Eine Resolution der Stadtregierung, die den Bund zum Handeln auffordert, wird selbst von der SPÖ vor allem als Geste gesehen. Da müsse die Wiener SPÖ parteiintern Aufklärung leisten, ging Meinl-Reisinger hier auf Distanz.

Obwexer: Widerspricht EU-Recht

Die zuletzt auch von AMS-Chef Johannes Kopf ventilierte Idee der Wohnsitzauflage, die Wien finanziell und sozialpolitisch entlasten soll, hat allerdings laut dem Europarechtler Obwexer keine Chance auf Umsetzung. Denn wie dieser gegenüber der ZIB2 betonte, müssen laut EU-Recht Asylberechtigte gleich behandelt werden wie heimische Sozialhilfebezieher. Es müssten also auch letztere im Fall einer Umsetzung am Umzug in ein anderes Bundesland gehindert werden. Auf die rechtliche Problematik hatte zuvor bereits der grüne Sozialminister Johannes Rauch verwiesen.

Will auch FPÖ-Wähler überzeugen

NEOS-Chefin Meinl-Reisinger will nach den für ihre Partei ernüchternden Ergebnissen bei den Lokalwahlen in Salzburg und Innsbruck „nach vorne schauen“. „Wir haben fünf Monate Zeit“, sagte sie mit Blick auf die Nationalratswahl im Herbst. Sie warnte auch vor jenen Kräften, die Europa „zerstören wollen“.

Dazu, dass die FPÖ laut Umfragen großen Zulauf hat, sagte die Parteichefin: „Umfragen sind Umfragen.“ Sie wolle „gerade auch die Menschen ansprechen, die den Glauben an die Politik, an die Demokratie vielleicht auch, an die Lösungsfähigkeit der Politik verloren haben – und gerne auch FPÖ-Wählerinnen und Wähler, gerade auch in der Europawahl ansprechen, weil derzeit muss man ja wirklich sagen: Das, was die FPÖ da macht, ist der direkte Weg in die Armut Österreichs und keine gute Zukunft für uns.“

Nach der Cannabis-Teillegalisierung plant Deutschland die Einführung eines Grenzwertes des Wirkstoffes THC für Fahrzeuglenker und -lenkerinnen. In Österreich ist ein solches Limit nicht in Sicht, dafür gebe es keine Zustimmung der ÖVP, hieß es im Büro von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne).

Die Feststellung einer Beeinträchtigung ist entscheidend, betont der ÖAMTC, laut Verkehrsclub Östereich (VCÖ) wäre ein Grenzwert sinnvoll. Die Polizei führt indes im Grenzraum zu Deutschland Schwerpunktkontrollen durch.

Eine Expertenkommission schlug der deutschen Bundesregierung laut Medienberichten aus der Vorwoche 3,5 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) je Milliliter Blut als Grenzwert vor. Dieser Wert würde einem Alkohollimit von 0,2 Promille entsprechen.

Innenministerium: Kein Kavaliersdelikt

„Die Bundesregierung hat sich im Regierungsprogramm dazu bekannt, im Sinne der Verkehrssicherheit bessere Möglichkeiten zur Kontrolle von akuten Fahrtüchtigkeitsbeeinträchtigungen durch die Exekutive zu erarbeiten“, teilte das Verkehrsministerium der APA mit.

Ein mögliches Instrument dafür seien objektive Grenzwerte nach internationalem Vorbild. Aber: „Ein entsprechender Vorschlag des Verkehrsministeriums hat bisher keine Zustimmung des Koalitionspartners erhalten und wird daher nicht weiterverfolgt“, wurde betont.

Aus dem ÖVP-geführten Innenministerium hieß es, dass Personen, die berauschende Mittel zu sich genommen haben, keinesfalls ein Fahrzeug lenken sollten. Berauscht zu fahren sei nie ein Kavaliersdelikt, auch nicht bei Cannabiskonsum.

Ukraine-Krieg

Großbritannien hat der Ukraine sein bisher größtes Hilfspaket mit Dutzenden Kampfbooten, Hunderten Fahrzeugen, mehr als 1.600 Raketen und Millionen Schuss Munition versprochen. „Die Verteidigung der Ukraine gegen die brutalen Ambitionen Russlands ist für unsere Sicherheit und für ganz Europa von entscheidender Bedeutung“, sagte der britische Premierminister Rishi Sunak einer Mitteilung von gestern Abend zufolge vor einem Besuch in Polen.

„Sollte Putin (Anm. russische Präsident, Wladimir) in diesem Angriffskrieg Erfolg haben, wird er nicht vor der polnischen Grenze Halt machen.“ Der Mitteilung zufolge geht es um die schnelle Lieferung von Munition, Flugabwehr, Drohnen und technischer Unterstützung im Wert von 500 Millionen Pfund (ca. 580 Mio Euro).

Sunak will sich heute in Warschau mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg treffen. Dabei wollten sie über weitere Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland sprechen. Morgen will sich Sunak in Berlin mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz treffen.

US-Senat berät über Milliardenhilfspaket

Nach dem Beschluss der milliardenschweren Hilfen für die Ukraine durch das US-Repräsentantenhaus wird sich heute der Senat in Washington mit der Gesetzesvorlage befassen. Die Zustimmung auch dieser Kongresskammer zu den Hilfen in Höhe von 61 Milliarden Dollar (rund 57 Milliarden Euro) für das von Russland angegriffene Land gilt als sicher, da im Senat die Demokraten von US-Präsident Joe Biden die Mehrheit stellen.

Insgesamt hat das nun dem Senat vorliegende Gesetzespaket ein Volumen von 95 Milliarden Dollar, zu ihm gehören auch Hilfen für Israel, für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen sowie für Taiwan. Die Auslandshilfen waren nach monatelangem Ringen am Samstag vom Repräsentantenhaus mit breiter Mehrheit verabschiedet worden. Ultrarechte Abgeordnete der Republikaner lehnen die Ukraine-Hilfen jedoch weiterhin vehement ab und drohen dem republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, der der Verabschiedung den Weg geebnet hatte, mit seiner Absetzung.

Die Ukraine und die USA haben nach Angaben des ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj Gespräche über ein bilaterales Sicherheitsabkommen begonnen. Selenskyj gab das gestern in seiner allabendlichen Videobotschaft bekannt und sprach von einem möglicherweise „beispielhaften“ Abkommen. Zudem einigten sich Kiew und Washington Selenskyj zufolge auf die Lieferung von Raketen mit größerer Reichweite an die ukrainische Armee.

Die Ukraine hatte in den vergangenen Monaten bereits Sicherheitsabkommen mit mehreren NATO-Mitgliedsstaaten abgeschlossen – darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Die Abkommen enthalten zwar keine militärische Beistandsgarantie. Sie haben aber große symbolische Bedeutung mit Blick auf die militärische, politische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine in den kommenden Jahren.

USA liefern weiterreichende ATACMS-Raketen

Selenskyj hatte zwei Tage nach Billigung der Milliardenhilfen für die Ukraine durch das US-Repräsentantenhaus ein Telefongespräch mit US-Präsident Joe Biden geführt.

Selenskyj sagte nach dem Gespräch, die Ukraine und die USA hätten sich zudem auf die Lieferung von ATACMS-Raketen geeinigt. Die Kurzstreckenraketen haben eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern und können nach übereinstimmenden Angaben die militärischen Fähigkeiten der Ukraine erheblich stärken. Die USA hatten der Ukraine erstmals im vergangenen Jahr ATACMS-Raketen geliefert – bisher aber nur mit einer Reichweite von 165 Kilometern.

Wirtschaft

Argentinien ist nach den Worten von Präsident Javier Milei auf dem besten Weg, die Staatsausgaben durch sein striktes Sparprogramm in den Griff zu bekommen. Er verkündete gestern erstmals seit 2008 wieder einen Quartalsüberschuss.

„Unser Plan funktioniert“, sagte der liberale Regierungschef in einer Fernsehansprache. Im ersten Quartal sei ein Plus von mehr als 275 Milliarden Pesos (315,4 Millionen Dollar) erzielt worden, was 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) des Landes entspreche.

„Wir werden alles tun, um dieses Land aus der Hölle zu befreien, die wir geerbt haben“, sagte er mit Blick auf die Vorgängerregierungen, die er für die wirtschaftliche Misere des Landes verantwortlich zeichnet.

Fachleute zweifeln an Nachhaltigkeit

Bei seinem Amtsantritt im Dezember hatte Milei der maroden Wirtschaft des südamerikanischen Landes eine Rosskur verordnet, um die dreistellige Inflationsrate zu senken und die langjährige Wirtschaftsflaute mit stetigem Pesoverfall und wachsender Armut umzukehren. Wirtschaftsfachleute bezweifeln jedoch die Nachhaltigkeit von Mileis Maßnahmen zur Sanierung des Staatshaushaltes.

Kritiker bemängeln zudem, dass Milei mit seinem harten Sparkurs zahlreiche Menschen in die Armut stürzt und beispielsweise mit den Kürzungen im Bildungssektor die Zukunft des Landes auf das Spiel setzt.

In der dritten Verhandlungsrunde hat sich die Gewerkschaft mit den Arbeitgebern auf einen neuen Kollektivvertrag (KV) für die rund 60.000 Beschäftigten in der Elektro- und Elektronikindustrie geeinigt. Die kollektivvertraglichen Löhne und Gehälter werden um 7,5 Prozent erhöht und die Ist-Löhne und -Gehälter steigen um 6,8 Prozent, wie die Gewerkschaften PRO-GE und GPA gestern Abend mitteilten. Die Erhöhungen gelten mit 1. Mai.

Der neue kollektivvertragliche Mindestlohn bzw. das Mindestgrundgehalt beläuft sich auf 2.406,56 Euro brutto pro Monat. Die Lehrlingseinkommen, Zulagen und Reiseaufwandsentschädigungen steigen jeweils um 7,5 Prozent. Die Zulage für die zweite Schicht wird um 78 Prozent auf einen Euro pro Stunde erhöht.

Programm für Qualifizierung zu Fachkräften

„Nur durch die Betriebsversammlungen war ein Abschluss in dieser Runde und dieser Höhe möglich“, so die gewerkschaftlichen Chefverhandler Reinhold Binder (PRO-GE) und Karl Dürtscher (GPA) in einer Aussendung. Zudem haben die Kollektivvertragspartner eine Qualifizierungsoffensive vereinbart. In den nächsten Jahren sollen Beschäftigte ohne einschlägige Berufsausbildung zu Fachkräften qualifiziert werden.

Arbeitgeber: „Eine Herausforderung“

„Dieses Ergebnis stellt für die Elektro- und Elektronikindustrie im globalen Umfeld eine Herausforderung dar“, hielt Wolfgang Hesoun, Obmann des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI), fest. Durch den Abschluss seien im Raum stehende Streiks verhindert worden, „die eine zusätzliche Belastung für die ohnehin schon im sehr harten internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen bedeutet hätten“, sagte er.

Erster Abschluss der Frühjahrsrunde

Die KV-Einigung in der Elektro- und Elektronikindustrie (EEI) ist der erste Abschluss in der diesjährigen industriellen Frühjahrslohnrunde. Die Kollektivvertragsverhandlungen für die chemische Industrie gehen heute in die dritte Runde. Für die Papierindustrie steht am 25. April die zweite KV-Runde an.

EU

Dem EU-Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein, stehen dem Europäischen Rechnungshof zufolge zahlreiche Herausforderungen im Weg. Ein Hindernis für die Verkehrswende sei etwa, dass europäische E-Autos teils zu teuer seien, teilte der Rechnungshof gestern mit. Elektrofahrzeuge müssten die breite Masse erreichen. Zudem weise das Ladenetz in Europa große Löcher auf. Auch alternative Kraftstoffe seien keine echte Alternative, da die Menge schlicht nicht ausreiche.

Der Verkehrssektor sei für etwa ein Viertel der gesamten Treibhausgasemissionen in Europa verantwortlich, allein die Hälfte davon entfalle auf Autos. Trotz effizienterer Motoren habe sich gezeigt, „dass die meisten herkömmlichen Autos trotz ehrgeiziger Ziele und strenger Anforderungen immer noch so viel CO2 ausstoßen wie vor zwölf Jahren“, sagte Nikolaos Milionis vom Europäischen Rechnungshof. Das liegt den Angaben nach vor allem daran, dass die Autos schwerer und die Motoren leistungsstärker wurden.

Mit dem Green Deal will die EU bis 2050 klimaneutral werden. Ein wichtiger Schritt dafür: Ab 2035 dürfen keine Neuwagen mehr zugelassen werden, die Benzin oder Diesel tanken.

Videos schauen und dafür bezahlt werden: Wegen der möglichen Suchtgefahr für Minderjährige hat die EU-Kommission der Videoplattform TikTok damit gedroht, deren neue Belohnungsfunktion zu blockieren. Brüssel eröffnete laut eigenen Angaben gestern ein Verfahren gegen TikTok wegen der „Gefahr schwerer Schäden für die psychische Gesundheit der Nutzenden“. Die Behörde könnte die neue Funktion noch in dieser Woche aussetzen.

Die Videoplattform hatte die neue App TikTok Lite im April eingeführt, in Europa ist sie bisher in Frankreich und Spanien verfügbar. Die Version enthält ein Punktesystem: Wer sich anmeldet, mehrere Stunden Videos schaut oder Freunde zu TikTok einlädt, wird mit digitalen Münzen belohnt. Die Punkte können gegen geringe Beträge in Form von Gutscheinen ausgetauscht werden, etwa für den Onlinehändler Amazon.

Verfahren gegen TikTok

Copernicus-Bericht: Hitze wie noch nie | Professor für Klimapolitik: Klimakrise große Gesundheitsbedrohung | Verfahren gegen TikTok | Bewegung im Strafprozess gegen Donald Trump | Frankreich: Maßnahmen gegen Jugendkriminalität | Doku über Cover-Designer Hipgnosis | Wetter

TikTok hat nun einen Tag Zeit, um auf die Vorwürfe aus Brüssel zu reagieren. Liefert das Unternehmen nicht die verlangten Informationen, drohen bereits ab morgen Strafen in Höhe von bis zu einem Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Ab Donnerstag könnte die EU-Kommission die umstrittene Funktion blockieren, TikTok dürfte die App dann nur noch ohne das Punktesystem auf den EU-Markt bringen.

Umwelt & Klima

Der Schaumweinhersteller Freixenet hat angesichts der Trockenheit in Spanien einen Plan zur vorübergehenden Entlassung von fast 80 Prozent seiner Belegschaft angekündigt. Die Umsetzung werde je nach Jahreszeit und Dürresituation variieren, teilte das für seinen Cava bekannte Unternehmen aus Katalonien gestern mit.

Archivbild des spanischen Schaumweinherstellers Freixenet
Reuters/Albert Gea

Ziel sei, die Überlebensfähigkeit des Geschäfts zu sichern. Der Plan sei Behörden und Gewerkschaften vorgelegt worden. Wird er umgesetzt, wären ab Mai 615 Mitarbeiter betroffen. Wann diese an ihre Arbeitsplätze zurückkehren sollen, wurde nicht mitgeteilt.

Alte Rebstöcke verdorrt

Nach spanischem Recht können Firmen in Ausnahmesituationen Beschäftigte vorübergehend freistellen und deren Verträge aussetzen. Teile der Iberischen Halbinsel leiden unter der schwersten Trockenperiode seit mutmaßlich 1.200 Jahren. In Freixenets Heimatregion Katalonien herrscht die schlimmste Dürre seit Beginn der Aufzeichnungen. In der Penedes-Region gibt es so wenig Wasser, dass 30 Jahre alte Rebstöcke abgestorben sind.

UNO: Klimawandel mit Risiken für 70 Prozent der Arbeitskräfte

Am selben Tag warnte die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) der UNO in einem Bericht, der Klimawandel würde für mehr als 70 Prozent aller Arbeitskräfte weltweit Sicherheits- und Gesundheitsrisiken mit sich bringen.

Schon jetzt, so die ILO-Schätzung, seien 2,4 der weltweit 3,4 Milliarden Arbeitskräfte während ihrer Arbeitszeit irgendwann übermäßiger Hitze ausgesetzt. Fast 19.000 Menschen kämen jedes Jahr wegen übermäßiger Hitze beim Arbeiten ums Leben, schätzt die ILO.

Gefahren durch extremes Wetter

Hitze und UV-Strahlung sind laut diesem Bericht die größten Gefahren. Die ILO nennt aber auch das Arbeiten bei Extremwetterereignissen, etwa für Fischer, sowie Nothelfer und Aufräumtrupps nach Katastrophen.

Chronik

In der südchinesischen Provinz Guangdong sind mindestens vier Menschen nach starken Regenfällen ums Leben gekommen. Zehn weitere galten als vermisst, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua unter Berufung auf örtliche Behörden gestern berichtete.

Hochwasser in der südchinesischen Provinz Guangdong
Reuters/Tingshu Wang

Die Opfer seien in der Stadt Zhaoqing westlich der Metropole Guangzhou durch den Regen eingeschlossen gewesen und tot aufgefunden worden.

In Guangdong hatte es in den vergangenen Tagen viel geregnet. Die Provinz ist zwar starke Regenfälle gewohnt, doch fielen diese derzeit ungewöhnlich heftig aus. Viele Ströme im Perlfluss-Delta schwollen bedrohlich an. Auch in Städten und Dörfern nördlich und südlich von Guangzhou wurden Überschwemmungen gemeldet.

Viele Orte evakuiert

Ungefähr 110.000 Bewohner seien aus anderen Orten in Sicherheit gebracht worden, teilten die Behörden mit. Mehr als 40 Flüsse und über 60 Messstationen in der Provinz verzeichneten bisher Regenmengen, die über den Alarmwerten lagen.

Auf Fernsehbildern waren Rettungskräfte zu sehen, die bis zur Brust durch die Fluten wateten und ältere Menschen aus ihren Wohnungen brachten. Mit Schlauchbooten fuhren die Helfer andernorts durch sonst mit Autos gefüllte Straßen. In manchen ländlichen Gegenden waren Straßen von Erdmassen überflutet.

Mehr als 35 Häuser seien bereits eingestürzt, berichtete Xinhua. Der Wetterbehörde zufolge müssen Guangdong, die Nachbarprovinz Guangxi sowie die südostchinesische Provinz Fujian in den kommenden Tagen weiter mit Regen und Stürmen rechnen. Die Behörden warnten vor Überschwemmungen und Muren. Es galt die dritthöchste Regenwarnstufe Gelb.

Science

Mit mehr Polizei in den Straßen steigt auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger. Diese weit verbreitete These wurde nun im deutschen Kassel durch ein wissenschaftliches Experiment unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Die These stimmt nicht, sogar das Gegenteil kann eintreten.

„Paradoxerweise kann die Wahrnehmung von Polizeipräsenz furchtsteigernd auf die Menschen wirken, selbst wenn sie sich vorher genau diese Maßnahme zur Verbesserung der Sicherheit gewünscht haben“, erklärte Tim Pfeiffer von der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen laut einer Mitteilung der Stadt Kassel.

Großangelegtes Experiment

Bei dem bundesweit einmaligen Experiment der Professur für Kriminologie mit dem Polizeipräsidium Nordhessen und der Stadt Kassel wurde erforscht, ob eine präventive und anlasslose höhere Polizeipräsenz dabei hilft, die Sicherheit in der Stadt zu verbessern. Rund ein Jahr lang lief das Experiment. In einigen Gebieten der Stadt wurde die Polizeipräsenz erhöht, Bürgerinnen und Bürger in allen Stadtgebieten danach befragt.

Das Ergebnis der Forscher: Sähen Menschen beim Blick aus dem Wohnungsfenster häufiger die Polizei, könne sich das negativ auf das Sicherheitsgefühl auswirken, erklärte Projektleiter Pfeiffer. „Es scheint die Meinung vorzuherrschen: Wo Polizei ist, da passiert auch was.“ Von der Studie wurde bisher nur das Studiendesign publiziert, die Ergebnisse sollen noch heuer wissenschaftlich veröffentlicht werden.